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Prüfbericht des Expertenrats für Klimafragen

Deutschland noch auf Klimakurs – Expertenrat sieht Corona und schwache Wirtschaft als Grund

Beim Klimaschutz dürfte Deutschland seine Ziele für die nächsten Jahre teilweise schaffen. Das liegt nicht nur an den Bemühungen, Treibhausgase einzusparen. Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein – dieses Ziel jedoch sehr deutlich verfehlen, sagt der Expertenrat für Klimafragen.

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Gleditschien zählen zu den „Klimabäumen“ – sie können auch Hitze in der Stadt vertragen.

Foto: Sebastian Willnow/dpa

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Lesedauer: 6 Min.

Deutschland dürfte seine Klimaziele für das Jahr 2030 nach Einschätzung von Fachleuten nur teilweise einhalten. Ohne die Krise der deutschen Wirtschaft sähe die Bilanz wohl anders aus, wie der Vorsitzende des sogenannten Expertenrats für Klimafragen, Hans-Martin Henning, in Berlin sagte.
Analysiert wurden die vom Umweltbundesamt vorgelegten Emissionsdaten für 2024 und die Projektionsdaten für 2025. Demnach wurden die Klimaziele 2024 insgesamt eingehalten. Das Emissionsbudget für den Zeitraum von 2021 bis 2030 würde laut den Zahlen des Umweltbundesamtes (UBA) um 81 Megatonnen CO₂-Äquivalente unterschritten.
Der Expertenrat hält dies für zu optimistisch, die Differenz dürfte sich aber innerhalb des vom UBA genannten Puffers bewegen. Tatsächlich würde das Emissionsbudget voraussichtlich weder unter- noch überschritten, hieß es.

Einspareffekte durch Corona und schwache Wirtschaft

„Ohne den Puffer, der sich in den Jahren 2021 bis 2024 unter anderem durch Corona und die schwache Wirtschaft aufgebaut hat, wäre bis Ende 2030 mit hoher Wahrscheinlichkeit eine deutliche Budgetüberschreitung zu erwarten gewesen“, erklärte Henning.
Konkret wurden die Emissionsvorgaben für das Jahrzehnt in der Summe nur wegen günstiger Werte in den zurückliegenden Jahren unterschritten, inzwischen lägen die Jahreswerte über den Zielvorgaben.
Epoch Times fragte bei der Vorstellung des Berichtes nach dem Anteil der schwächelnden Wirtschaft bei dem festgestellten Emissionsrückgang nach. Wie hoch war dieser?
Marc Oliver Bettzüge, Mitglied des Rates, sagte: „Wir haben im Rahmen dieses Berichtes keine Analyse gemacht, die es erlauben würde, Ihre Frage abschließend zu beantworten.“

Abweichungen nicht abschätzbar

Epoch Times wollte ebenfalls wissen, inwieweit weit die Ergebnisse des aktuellen Berichtes mit den Ergebnissen des Vorjahresberichts vergleichbar sind. Wie hoch sind die zu erwartenden Abweichungen, fragte unser Reporter vor Ort.
Dazu sagte Vorsitzender Hans Martin Hennig: „In der Tat gibt es von Jahr zu Jahr immer kleinere methodische Änderungen, Anpassungen, Verbesserungen, von denen wir ehrlicherweise noch nicht wirklich abschätzen können, ob und inwiefern diese die Datenqualität verbessern. Nach unserer Einschätzung hat es keinen substanziellen Einfluss auf das jetzige Ergebnis.“
Während die Wirtschaft zur Emissionsminderung beitrug, dürfte der Effekt natürlicher Kohlenstoffsenken unter anderem aufgrund des schlechten Zustandes der Wälder abnehmen. Grund dafür sei, insbesondere Dürre und Borkenkäferbefall, so Bettzüge. Der Sektor Land- und Forstwirtschaft wird damit insgesamt von einer Senke zu einer Emissionsquelle.
Zudem habe sich die bereits in den Vorjahren festgestellte Zielverfehlung in den Bereichen Verkehr und Gebäuden 2024 ausgeweitet, hieß es. Dies bedeutet auch einen Verstoß gegen EU-Vorgaben im Rahmen der Lastenteilung. Laut den gesetzlichen Vorgaben muss die Bundesregierung nun innerhalb eines Monats zu möglichen Gegenmaßnahmen für diese Bereiche Stellung nehmen. Es drohen hier EU-Strafzahlungen.

Das Ziel für 2030 wird verfehlt

Im deutschen Klimaschutzgesetz ist festgelegt, wie viel Treibhausgase Deutschland zwischen 2020 und 2030 pro Jahr höchstens ausstoßen darf. Alle jährlichen Mengen zusammen ergeben das Emissionsbudget, das sich laut Expertenrat absehbar im erlaubten Rahmen bewegt.
Das übergeordnete Ziel, bis 2030 mindestens 65 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen als 1990, dürfte Deutschland nicht erreichen.
Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein, also nicht mehr Treibhausgase ausstoßen, als wieder gespeichert werden können. Dieses Ziel wird Deutschland nach Einschätzung der Fachleute sogar sehr deutlich verfehlen.

Bundesregierung muss neues Programm vorlegen

Nach europäisch vereinbarten Vorgaben muss Deutschland seine Emissionen bis 2030 verglichen mit 2005 um die Hälfte senken. Seit dem vergangenen Jahr liegt Deutschland hier nach Berechnungen des Expertenrats nicht mehr auf Kurs. Die Ziellücke bis 2030 sei im Vergleich zum Vorjahr gewachsen.
Eher skeptisch äußerte sich der Expertenrat zu den klimapolitischen Zielen der neuen Bundesregierung. „Es ist kein starker klimapolitischer Impuls, der vom Koalitionsvertrag ausgeht“, sagte der Ratsvorsitzende Hans-Martin Henning. Zudem seien viele Ankündigungen „sehr vage“, warnte die stellvertretende Vorsitzende Brigitte Knopf.

Grüne sehen mangelnden Ehrgeiz der Regierung

Grünen-Parteichef Felix Banaszak wirft der schwarz-roten Bundesregierung mangelnden Ehrgeiz beim Klimaschutz vor. „Der heute vorgestellte Prüfbericht des Expertenrats zeigt schwarz auf weiß: Diese Bundesregierung riskiert bewusst das Scheitern beim Klimaschutz“, sagte Banaszak. „Statt einen klaren Plan zur Einhaltung unserer Klimaziele vorzulegen, bleibt der Koalitionsvertrag vage und ambitionslos.“
Banaszak äußerte die Befürchtung, die Regierung könne beim Klimaschutz erreichte Fortschritte wieder zunichte machen. „Während die neue Koalition von fossilen Gaskraftwerken träumt und den Ausbau der Erneuerbaren bremst, geraten unsere Klimaziele für 2030 und 2045 wieder außer Reichweite.“
Er verwies dabei besonders auf das vereinbarte neue Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz. Darin müsse es „einen klaren Fokus auf Gebäudesanierung, einen schnelleren Ausbau des Schienennetzes, mehr klimafreundliche Wärmenetze, E-Mobilität made in Germany und eine sozial gerechte Förderung für die Privathaushalte“ geben.
Die Bundesregierung muss spätestens ein Jahr nach Beginn der neuen Legislaturperiode ein neues Klimaschutzprogramm vorlegen. Dazu müssen die zuständigen Ressorts innerhalb eines halben Jahres Vorschläge machen. Der Expertenrat forderte die Regierung auf, in dem Programm die festgestellten Problembereiche „gezielt zu adressieren“.
Der Expertenrat ist ein unabhängiges fünfköpfiges Gremium, das die Wirksamkeit der deutschen Klimaschutzpolitik überprüft und der Politik Anregungen gibt. Seine Aufgaben sind gesetzlich festgeschrieben. In seinem nun vorgestellten Bericht bestätigt das Gremium im Wesentlichen die Zahlen, die das Umweltbundesamt im März vorgestellt hatte. (dpa/afp/red)

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