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plus-iconVerfassungsschutzbericht 2024

Welche ausländischen Nachrichtendienste gefährden Deutschlands Interessen?

Die geheimdienstlichen Aktivitäten Russlands, Chinas und des Iran halten die Auslandsspezialisten des deutschen Verfassungsschutzes besonders auf Trab. Die Türkei gehört ebenfalls zu den Haupteinflussnehmern. Auch auf den Straßen war 2024 ein starker Anstieg politisch motivierter Straftaten „ausländischer Ideologie“ zu verzeichnen.

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Ein Hinweisschild des Bundesamts für Verfassungsschutz in Köln. Am 10. Juni stellten sein Vizepräsident Sinan Selen und Bundesinnenminister Alexander Dobrindt den Jahresbericht 2024 vor.

Foto: Oliver Berg/dpa

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Lesedauer: 13 Min.

Als Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) den Verfassungsschutzbericht 2024 (VSB) vorstellte, nannte er als Hauptproblemfelder nicht nur eine steigende Gefahr durch Rechts- und Linksextremismus sowie durch islamistisch oder antisemitisch geprägten Extremismus.
Daneben gibt es auch eine Zunahme von Spionage, Sabotage, Einflussnahme und Desinformationskampagnen durch ausländische Akteure. Diese stellen laut dem Jahresbericht „eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit Deutschlands dar“. Welche Länder spielen dabei eine besondere Rolle?
„Die Russische Föderation, die Volksrepublik China, die Islamische Republik Iran und die Republik Türkei stellen unverändert die Hauptakteure der gegen Deutschland gerichteten Spionage, nachrichtendienstlichen Cyberangriffe, unzulässigen Einflussnahmeaktivitäten und Proliferationsbemühungen dar, wobei sie unterschiedliche Schwerpunkte setzen“, heißt es auf Seite 302 des VSB.
Proliferation meint in diesem Zusammenhang nach Definition des Bundesnachrichtendienstes (BND) die „unerwünschte Weiterverbreitung von Rüstungsgütern und Massenvernichtungswaffen“.

Russland: Fokus auf Spionage, Sabotage und Desinformation

Spätestens seit Beginn des Ukraine-Krieges 2022 richtet sich der Blick der Verfassungsschützer vermehrt auf die Spionage- und Sabotageaktivitäten Russlands, die sich „mit unterschiedlicher Intensität auf die Zielbereiche Politik und Verwaltung, Wirtschaft einschließlich Kritischer Infrastrukturen […], Wissenschaft und Technologien sowie Militär“ erstreckten, wie es im VSB heißt. Wirtschaft, Politik und Gesellschaft könnten demnach gleichermaßen betroffen sein, sagte Sinan Selen, der Vizepräsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), am 10. Juni 2025 in Berlin.
Als ein Beispiel für die Bedrohungslage nennt der VSB die „prorussische Hacktivistengruppierung NoName057“. Diese habe im Dezember 2024 mit Unterstützung von Gruppen einer sogenannten „Holy League“-Allianz, in der auch propalästinensische Gruppen aktiv seien, Angriffe auf deutsche Websites begannen. Dabei seien auch Bundes- und Landesbehörden angegriffen worden. Das BfV bezeichnet diese als „APT-Truppen“, die Cyberoperationen durchführen würden. Das Kürzel APT steht für Advanced Persistant Threads, auf Deutsch etwa „fortgeschrittene, andauernde Bedrohung“.
Prorussische Medien wie etwa der staatliche Sender RT, der 2022 in der EU verboten wurde, verbreiteten laut VSB zudem Desinformationen und Propaganda mit antiisraelisch geprägten Berichten. Selen sprach auf der Pressekonferenz von „Desinformations-Ökosystemen“ und von „Diskreditierungsoperationen“.
Sinan Selen, der Vizepräsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), stellte am 10. Juni den Jahresbericht 2024 seiner Behörde vor. Foto: Bildschirmfoto/YouTube/Phoenix

Sinan Selen, der Vizepräsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), stellte am 10. Juni den Jahresbericht 2024 seiner Behörde vor.

Foto: Bildschirmfoto/YouTube/Phoenix

Insgesamt gehe es den russischen Interessenvertretern darum, „über verschiedene Formen der Einflussnahme polarisierende Effekte in westlichen Demokratien zu befeuern“, heißt es auf Seite 60 des VSB.
Die Hintermänner bauten laut BMI-Chef Dobrindt dabei häufig auf die Dienste von sogenannten „Low-Level-Agenten“ – also ungeschulten Einzeltätern, die zumeist in sozialen Netzwerken angeworben werden. Drei Deutsch-Russen stehen derzeit vor dem Oberlandesgericht München. Sie werden beschuldigt, im Auftrag Russlands Sabotageaktionen geplant zu haben – darunter auch Brandanschläge und Sabotageakte gegen Bahnstrecken.
Auch an die Kenntnisse aktiver oder ehemaliger Verantwortlicher aus Wirtschaft und Politik versuche Russland „im Rahmen harmlos wirkender Kontaktpflege“ heranzukommen, was als „Gesprächsabschöpfung“ bezeichnet wird.

China: Spionage, Cyberangriffe und transnationale Repression

Auch die Kommunistische Partei Chinas setzt laut Dobrindt in Deutschland in zunehmendem Maße Low-Level-Agenten zu Spionagezwecken ein. Den Akteuren geht es nach Angaben von BfV-Vizechef Selen um Einflussnahme mittels Cyberoperationen, aber auch um Wirtschaftsspionage, die zuweilen militärischen Zielen dienen könne.
Selen verwies als Beispiel auf den Cyberangriff auf das Bundesamt für Kartografie und Geodäsie Ende 2021. Seit Ende Juli 2024 ist sich das Bundesinnenministerium sicher, dass staatliche chinesische Interessen dahintersteckten.
„Für die Realisierung seiner ambitionierten Industrie- und Militärpolitik nutzt der chinesische Staat Spionage in Wirtschaft und Wissenschaft, versucht, deutsche Unternehmen der Spitzentechnologie teilweise oder ganz aufzukaufen und wirbt gezielt Wissensträgerinnen und -träger mit relevantem Know-how an und ab“, so der VSB.
Selen erwähnte auch das Mittel der „transnationalen Repression“ (TNR), das international allerdings nicht nur von China praktiziert wird: Regierungen lassen ihre eigenen Staatsbürger im Ausland überwachen, bedrohen, verfolgen oder begehen Schlimmeres, wenn sie diese als Oppositionelle oder Gegner einordnen. „Mit staatsterroristischen Methoden wie Anschlägen, Entführungen oder Tötungen werden nicht nur Kritiker verfolgt, sondern auch deren Aufenthaltsstaaten politisch und diplomatisch unter Druck gesetzt“, heißt es im VSB.

Iran: Vor allem Landsleute und jüdische Institutionen im Visier

Auch die Islamische Republik Iran mit ihrer ausgeprägten „antiwestlichen sowie antiisraelischen Stoßrichtung“ unterdrückt laut VSB oppositionelle Gruppierungen auch in Deutschland mit ihren Nachrichtendiensten. Deshalb gehörten „auch Ausspähungsaktivitäten gegen (pro-)israelische sowie (pro-)jüdische Ziele in Deutschland“ zum Tätigkeitsfeld des iranischen „Ministry of Intelligence“ (MOIS) oder der „Quds Force“ der Iranischen Revolutionsgarden. Entführungen, Bestrafungen oder gar Tötungen Oppositioneller kämen ebenfalls vor.
Die Spionageaktivitäten des Iran richteten sich auf deutschem Territorium vorwiegend auf Menschen mit iranischer oder doppelter Staatsbürgerschaft, so der VSB: „Im Zielspektrum der Angriffskampagnen der APT-Gruppierung Charming Kitten standen Exiliraner, Oppositionelle, Regimekritiker, Journalisten und Einzelpersonen aus der Menschenrechtsbewegung sowie Frauenrechtsaktivistinnen, die sich öffentlich kritisch über Menschenrechtsverstöße in Iran geäußert hatten.“
Das BfV erwarte allerdings, dass Teheran auch seine Bemühungen in Richtung Ausland verstärken werde, „Know-how, Informationen und Produkte mithilfe von Cyberspionage zu beschaffen“, da die Islamische Republik sanktionsbedingt unter wirtschaftlichem und technologischem Mangel leide.
Die Bundesregierung hatte am 28. Oktober 2024 die Schließung der drei iranischen Generalkonsulate in Frankfurt am Main, München und Hamburg angeordnet, nachdem ein Mann mit deutscher sowie iranischer Staatsangehörigkeit entführt und nach einem Schauprozess hingerichtet worden war. Als diplomatische Vertretung fungiert seitdem nur noch die Botschaft in Berlin.
Von Reisen in den Iran wird abgeraten, da vor Ort die Gefahr willkürlicher Festnahmen, Verhöre und Verurteilungen besteht.

Türkei: Verfolgung Oppositioneller, Beeinflussung Regierungstreuer

Auch die Türkei nutzt ihre Nachrichtendienste, um in Deutschland oppositionelle Landsleute oder Gruppen auszuspähen. Im Fokus stehen nach Angaben des VSB beispielsweise Anhänger der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) oder der Bewegung um den jüngst verstorbenen Prediger Fethullah Gülen, die auch „Hizmet“ genannt wird. Häufig fungierten nicht nur Diplomaten, sondern auch Teile der türkischen Gemeinde als Informationsbeschaffer.
Umgekehrt übten auch deutsch-türkische Organisationen einen politisch motivierten Einfluss auf türkischstämmige Mitbürger mit Wohnsitz in Deutschland aus. Der VSB erwähnt ausdrücklich die Union Internationaler Demokraten (UID) in Köln, die der türkischen Regierungspartei AKP nahesteht.
Nach Angaben des „Mediendienstes Integration“ stellt die türkische Gemeinde in Deutschland mit ihren derzeit rund 2,6 Millionen Angehörigen die größte Einwanderergruppe dar.

Der Rest der Welt

Nachrichtendienstliche Aktivitäten von einiger Bedeutung stellt der VSB 2024 generell auch für die nordafrikanischen Staaten und für die Länder des Nahen und Mittleren Ostens fest. Diese seien „bestrebt, Politik, Medien und Verwaltungshandeln in Deutschland durch klandestine Methoden im Sinne ihrer Staatsführungen zu beeinflussen. Nationale politische Interessen oder außereuropäische Regionalkonflikte werden so auch hierzulande verfolgt und ausgetragen“, umreißt der VSB die Lage. Insbesondere Syrien, Ägypten und Marokko seien im Blick zu halten, weil deren Nachrichtendienste unter anderem den Zweck verfolgten, „Oppositionelle in Deutschland auszuspähen oder als Extremisten zu diskreditieren“.
Die Nachrichtendienste von Pakistan und Indien setzen laut VSB auch oppositionelle Landsleute unter Druck und werben für die eigene Regierung.
Auch aus den kommunistischen Staaten Vietnam und Nordkorea erwartet das BfV für die Zukunft einen anhaltend hohen Verfolgungsdruck auf Oppositionelle und Dissidenten. Nordkorea sei zudem bemüht, mittels „offensiver Cyberoperationen“ Geheimnisse aus Diplomatie, Politik und Wirtschaft aufzudecken und Devisen zu beschaffen. Letzteres sei häufig die Aufgabe von getarnten Fachkräften aus der IT-Branche.

46,6 Prozent Zunahme von „ausländischer Ideologie“

Neben ausländischen staatlichen Diensten sind es häufig auch private Extremisten oder Gruppierungen nichtdeutscher Herkunft, die sich verfassungsfeindlicher Straf- oder Gewalttaten schuldig machen.
Der VSB listet für das Jahr 2024 im Phänomenbereich „politisch motivierte Kriminalität“ 4.534 Straftaten auf, die auf eine extremistische Motivation im Sinne einer ausländischen Ideologie zurückgeführt wurden. Das bedeutet einen Anstieg von 46,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Bei den darin enthaltenen 607 Gewalttaten war die Steigerung mit 84,5 Prozent noch deutlicher. Eingeschlossen sind dabei 304 Körperverletzungen und 189 Widerstandsdelikte. Unter den sonstigen Straftaten stechen primär 841 Volksverhetzungsdelikte und 803 Sachbeschädigungen ins Auge. Sie steigerten sich jeweils um mehr als ein Viertel.
Die Tabellen zeigen die 2024 registrierten Fälle extremistisch motivierter Straftaten in Deutschland, die auf ausländischen oder religiösen Ideologien gründen. Foto: Bildschirmfoto/BfV

Die Tabellen zeigen die 2024 registrierten Fälle extremistisch motivierter Straftaten in Deutschland, die auf ausländischen oder religiösen Ideologien gründen.

Foto: Bildschirmfoto/BfV

Auch Straftaten mit antisemitischem Hintergrund stark gestiegen

Unter allen politisch motivierten Straftaten „ausländischer Ideologie“ hatten nach Angaben des BfV 1.776 einen antisemitischen Hintergrund – ein Plus von 70 Prozent. Allerdings habe es sich dabei nur in 75 Fällen um Gewalttaten gehandelt. Zu antisemitisch konnotierten Volksverhetzungen war es in 607 Fällen ungleich häufiger gekommen.
Die meisten Straf- und Gewalttaten aufgrund einer ausländischen Ideologie gab es in Berlin (Straftaten: 1.605/Gewalttaten: 356) und Nordrhein-Westfalen (1.087/89). Bei den absoluten Straftaten lag Baden-Württemberg (554/23) auf Platz drei. Hamburg verzeichnete mit 41 Fällen allerdings mehr Gewalttaten.

Religiöser Extremismus: 82 Prozent islamistisch motiviert

Im Phänomenbereich „politisch motivierte Kriminalität/religiöse Ideologie“ zählte das BfV 2024 bundesweit 1.694 extremistisch motivierte Straftaten, darunter 656 mit antisemitischem Hintergrund. Unter diesen antisemitisch geprägten Delikten kam es in zwölf Fällen zur Gewalt, 191 Mal zu einer Sachbeschädigung. 185 Mal ging es um Propaganda-, 125 Mal um Volksverhetzungsdelikte.
Betrachtet man allein die religiös motivierten Gewalttaten, steht laut VSB eine Zahl von 71 zu Buche: Neben 53 Körperverletzungen gab es auch zwei vollendete und drei versuchte Tötungsdelikte.
Eine speziell islamistisch motivierte Ideologie nahmen die Beamten in 1.397 der 1.694 Fälle an. Das entspricht einem Anteil an allen religiös motivierten extremistischen Straftaten von gut 82 Prozent. Laut BfV-Vizechef Selen ist der IS als zentraler Akteur im Bereich des islamistischen Terrorismus nicht nur für Operationen verantwortlich, sondern auch bei der Online-Radikalisierung, insbesondere junger Menschen, erfolgreich. Inzwischen gelte ein Drittel des 28.280 Muslime umfassenden Personenpotenzials mit islamistischem Gedankengut als gewaltorientiert.

Hass auf Israel und Antisemitismus als „Brückennarrative“

Das BfV geht davon aus, dass es unmittelbar nach den Terroranschlägen der Hamas gegen Israel am 7. Oktober 2023 zu „spektrenübergreifenden“ Solidarisierungseffekten ganz unterschiedlicher extremistischer Bewegungen und Gruppierungen gekommen war.
Es sei nicht zum ersten Mal festzustellen, „dass Israelfeindschaft und Antisemitismus Brückennarrative“ seien. Beide seien in der Lage, „ideologische Schnittmengen und Verbindungen“ auch zwischen solchen extremistischen Einstellungen herzustellen, die ansonsten unvereinbar seien:
„Akteure aus dem säkularen propalästinensischen Extremismus nehmen dabei im propalästinensischen Demonstrationsgeschehen eine Scharnierfunktion zwischen Islamisten und Linksextremisten ein“, schreibt das BfV auf Seite 49 seines Jahresberichts.
Patrick Reitler, geboren in den späten Sechzigerjahren am Rande der Republik. Studium der Komparatistik, Informationswissenschaft und Sozialpsychologie. Seit der Jahrtausendwende als Journalist hauptsächlich in Online-Redaktionen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und als Fußballkommentator unterwegs. Seit Ende 2022 freier Autor. Bei Epoch Times vorwiegend für deutsche Politik zuständig.

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