„Staatlich legalisierte Schleusung“
Visaaffäre: Kubicki kritisiert Rolle von NGOs – und fordert Untersuchungsausschuss
Ein neuer „Spiegel“-Bericht zur Visaaffäre beleuchtet die Rolle von NGOs in der Visaaffäre der deutschen Botschaft in Islamabad. FDP-Politiker Wolfgang Kubicki fordert nun einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss und spricht von „staatlich legalisierter Schleusung“.

Die Visaaffäre in der deutschen Botschaft in Islamabad brachte Ex-Außenministerin Annalena Baerbock in Erklärungsnot.
Foto: Kay Nietfeld/dpa
Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki hofft auf eine Initiative für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur sogenannten Visaaffäre. Anlass dafür ist ein jüngst veröffentlichter „Spiegel“-Bericht, der aus internen Akten des Auswärtigen Amtes zitiert. Diesem zufolge spielten auch NGOs eine Rolle bei der Vergabepraxis von Visa an afghanische Staatsangehörige im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms.
Das Programm sollte vor allem sogenannten Ortskräften und deren Angehörigen in Afghanistan einen Weg nach Deutschland erschließen. Diese Personen galten nach der Rückkehr der Taliban an die Macht im August 2021 als besonders gefährdet durch Racheakte. Seit 2021 hatte Deutschland mehr als 36.000 Afghanen über das Programm aufgenommen. Allerdings ergaben sich schon bald Anhaltspunkte, wonach auch Nichtberechtigte von oberflächlich geführten Visaverfahren profitiert hätten.
Kubicki: Visaaffäre schuf reales Sicherheitsrisiko
In einem Beitrag auf X übte Kubicki Kritik an „NGOs, die zum Lügen für die Visa-Erteilung anleiten“ und am Außenministerium. Die frühere Ministerin Annalena Baerbock habe demnach eine laxe Visapraxis autorisiert und ihre Hand über die NGOs gehalten. Am Ende sei es zu einer „staatlich legalisierten Schleusung“ gekommen, wie es ein Sicherheitsbeamter gegenüber dem „Spiegel“ genannt habe.
Dem FDP-Politiker zufolge habe die Visapraxis im Kontext des Bundesaufnahmeprogramms ein Sicherheitsrisiko geschaffen. So soll es auch für Personen Aufnahmezusagen gegeben haben, die man als Dschihadisten oder Taliban-Anhänger hätte identifizieren können. In einigen Fällen habe man deren Einreise im letzten Moment verhindern können. Es sei jedoch ungewiss, ob dies in jedem Fall gelungen sei.
Die Zustände rechtfertigten einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, so Kubicki. Ob es für einen solchen eine ausreichende Rückendeckung im Bundestag geben würde, ist ungewiss. Die FDP ist nicht mehr im Parlament vertreten.
NGOs als „meldeberechtigte Stellen“ und Zuarbeiter
Im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan (BAP) trafen NGOs selbst keine Entscheidungen. Allerdings hatten sie eine erhebliche Bedeutung in der Vorbereitung der Entscheidungsfindung. Etwa 100 sogenannte zivilgesellschaftliche Organisationen sind in freiwillige Aufnahmeprogramme der Bundesregierung eingebunden – die das Kabinett Merz nun beenden möchte.
Die NGOs fungieren als „meldeberechtigte Stellen“. Sie sollen die Daten gefährdeter Menschen in Afghanistan aufnehmen und deren Behauptungen über ihre Gefährdung auf Plausibilität prüfen. Anschließend sollen sie Dossiers über die Antragsteller anfertigen und diese dann an eine zentrale Koordinierungsstelle des Bundesinnenministeriums weiterleiten.
Die endgültige Auswahl von Personen, die für das Visaverfahren in Frage kommen, sowie die Durchführung der Verfahren selbst obliegt staatlichen Behörden. Das BAP sah eine Aufnahme von bis zu 1.000 Antragstellern im Monat vor. Die Rolle der NGOs wurde in deutschen Medien als eine von Gatekeepern mit „eigener politischer Agenda“ beschrieben.
Botschaft in Islamabad nach Schließung von Vertretungen völlig überfordert
Tatsächlich soll es erhebliche interne Lücken in dem Programm gegeben haben. Vor allem die Kommunikation und Koordination zwischen Botschaft, Auswärtigem Amt und Sicherheitsbehörden habe die Erwartungen nicht erfüllt. Dies sei ein zentraler Faktor gewesen, der die Visaaffäre begünstigt habe.
Dazu kam eine permanente Überlastung der Botschaft in Islamabad. Aufgrund der abrupten Schließung vieler westlicher diplomatischer Vertretungen in Afghanistan kam der deutschen Botschaft im Nachbarland Pakistan eine besondere Bedeutung als Anlaufstelle zu – die möglicherweise unterschätzt wurde.
In Anbetracht dieser Situation kam die viel diskutierte Anweisung aus dem Auswärtigen Amt, Visa notfalls auch bei Vorlage zweifelhafter oder gefälschter Papiere auszustellen. Die organisatorischen und personellen Defizite in der Botschaft begünstigten die Entstehung der Sicherheitslücken im Aufnahmeverfahren. Diese erhöhten in weiterer Folge das Risiko von Täuschungsversuchen und Missbrauch.
Auswärtiges Amt sieht keinen „Skandal“ im Kontext der Visaaffäre
Die Bundespolizei hatte das Botschaftspersonal jedoch mehrfach davor gewarnt, dass afghanische Staatsangehörige mit ungültigen Pässen oder gefälschten Unterlagen ankommen könnten. Nach derzeitigen Erkenntnissen seien in „mindestens zwei Dutzend“ Fällen Visa unrechtmäßig vergeben worden.
Die Visaaffäre hat zu einer verstärkten Einbindung von Sicherheitsbehörden wie Bundespolizei und Verfassungsschutz in die Arbeit vor Ort geführt. Dies sollte helfen, Sicherheitsüberprüfungen möglichst professionell durchzuführen und Täuschungen besser zu erkennen.
Das Auswärtige Amt räumte ein, dass es zu unrechtmäßigen Visavergaben gekommen sei. Von einem „Skandal“ wollte man dort jedoch nicht sprechen. Es habe sich lediglich um Einzelfälle gehandelt. Die Staatsanwaltschaften in Berlin und Cottbus haben trotzdem gegen leitende Beamte des Auswärtigen Amtes Ermittlungen wegen des Verdachts auf Rechtsbeugung aufgenommen. Zu Anklagen ist es jedoch noch nicht gekommen.
Vorwürfe auch wegen Kaltstellens einer kritischen Mitarbeiterin
Für Irritationen sorgte auch, dass der Leiterin des Rechts- und Konsularreferats der Botschaft alle Aufgaben entzogen wurden, die mit dem BAP zusammenhängen. Die Mitarbeiterin hatte zuvor auf strengere Prüfungen von Visaanträgen bestanden und Kritik an der Vergabepraxis geäußert.
Zudem vertrat die Ehefrau eines Referatsleiters für Visumrecht als Anwältin afghanische Antragsteller und erhielt ohne Ausschreibung Aufträge vonseiten des Auswärtigen Amtes. Dies ließ Vorwürfe von Vetternwirtschaft laut werden.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
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