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„Zu staatsnah“ – Enquete-Kommission prüft Transparenz und Vielfalt im ÖRR

Sachsen-Anhalt besitzt als einziges Bundesland eine eigene Enquete-Kommission zur Erarbeitung von Reformideen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Am Freitag will die Arbeitsgruppe über Defizite in den Rundfunk- und Verwaltungsräten sprechen, bevor sie ihren zweiten Zwischenbericht fertigstellt.

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Das Symbolbild zeigt das Landtagsgebäude Magdeburg der sachsen-anhaltinischen Hauptstadt. Hier will die Enquete-Kommission zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks am 20. Juni 2025 seinen zweiten Zwischenbericht finalisieren.

Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

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Lesedauer: 9 Min.

Am Freitagvormittag, 20. Juni 2025, tagt die Enquete-Kommission der sachsen-anhaltinischen Landesregierung namens „Das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch Transparenz und Reformwillen stärken“ im Magdeburger Landtag zum 17. Mal.
Die 13 ordentlichen Kommissionsmitglieder aus allen sechs Landtagsfraktionen planen, den zweiten Zwischenbericht zum Stand ihrer Arbeit möglichst noch am selben Tag fertigzustellen. Epoch Times wird mit einem Reporterteam vor Ort sein.

Rundfunk- und Verwaltungsräte unter der Lupe

Bevor es jedoch bei der Finalisierung des Zwischenberichts in medias res geht, wird sich die Enquete-Kommission mit einer frisch überarbeiteten Studie des Medienbloggers und -Journalisten Peter Stawowy befassen, die dieser im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung erarbeitet hatte. (PDF)
Stawowy setzte sich dafür akribisch mit den Kontrollgremien der neun ARD-Anstalten, des ZDF, des „Deutschlandradios“ und der „Deutschen Welle“ auseinander. Er beschäftigte sich auch mit den Profilen der insgesamt 722 Mitglieder in den 24 Rundfunk- und Verwaltungsräten der zwölf Anstalten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR). In puncto Zusammensetzung, Transparenz und Dialogbereitschaft sieht Stawowy die Gremien bei Weitem noch nicht optimal aufgestellt.

Noch immer zu viele Parteimitglieder vertreten

So sei etwa die Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts vom 25. März 2014, nach der der Anteil der „staatlichen und staatsnahen“ Mitglieder in einem ÖRR-Aufsichtsgremium auf ein Drittel zu beschränken sei (Az: 1 BvF 1/11, PDF), Stand 31. August 2024 noch immer nicht überall erfüllt gewesen: Nach Zählweise Stawowys ließen sich allein in den Rundfunkräten der ÖRR-Sender durchschnittlich noch immer 42 Prozent der Sitze „politiknahen und parteizugehörigen“ Interessenvertretern zuordnen.
Unter den Verwaltungsratsmitgliedern gehörten sogar 53 Prozent einer Partei an. Statt Klarheit über die eigene politische Heimat herzustellen, würden viele Gremiumsangehörige ihr Parteibuch auf den Websites ihrer ASender lieber verschleiern, kritisierte Stawowy.
Während die Politik also nach wie vor „überaus präsent in den Gremien“ sei, sind nach Ansicht des Studienautors Angehörige „marginalisierter Gruppen“, genauer: Migranten, LGBTQIA+-Menschen und Behinderte, zum Teil stark unterrepräsentiert. „Hier besteht nach wie vor erheblicher Nachholbedarf“, meint Stawowy. Das gelte in manchen Räten auch für Frauen.

Zu wenig Publikumsdialog

Trotz anderer Anzeichen dafür, dass „die politische Durchdringung der Gremien im Laufe der Zeit etwas zurückgegangen“ sei und bezüglich Professionalisierung und Transparenz ebenfalls „einiges passiert“ sei, habe er festgestellt, dass die Gremien nach wie vor die Öffentlichkeit scheuten und „offenkundig lieber unter sich bleiben möchten“.
So würden zwar mittlerweile acht von zwölf Rundfunkanstalten ihre Rundfunkratssitzungen live streamen, eine anschließende Videoaufzeichnung aber biete kein einziger Sender an. Bei Verwaltungsratssitzungen beschränkten sich die öffentlich zugänglichen Informationen ohnehin lediglich auf Tagesordnungen und Ergebnisse.
Über den Willen der offiziellen Repräsentanten des Publikums zur direkten Kommunikation mit den Beitragszahlern schreibt der Medienexperte:
„Eine ernsthafte, dialogische Rückkoppelung der eigenen Arbeit in die Öffentlichkeit, etwa durch Dialogveranstaltungen und Austausch, sucht man vergeblich.“

Zweifel an Reformbereitschaft

In einer weiteren Öffnung der Gremien und Häuser läge für Stawowy „die große Chance, das Vertrauen in die Arbeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – vor allem in die stattfindende öffentliche Kontrolle – zu stärken“. Daran aber hege er ähnliche Zweifel wie bei der Frage, ob die Anstalten in der Lage sein werden, sich überhaupt „von innen heraus zu reformieren“.
Stawowy vermutet zudem, dass „der Glaube an die Reformfähigkeit der Institution Rundfunkrat“ unter den Medienpolitikern in den Landesparlamenten verloren gegangen sei. Anders lasse sich deren „Idee, einen Medienrat zu konstituieren, der die Leistungsberichte der Anstalten miteinander vergleicht und die bestehenden Gremien in dieser zentralen Funktion entmachtet, nicht deuten“, so der Studienautor unter Anspielung auf den bereits im Entwurf vorhandenen Reformstaatsvertrag. Insofern sei inzwischen der gesamte Zweck der teuren Gremien infrage zu stellen.
Als Gäste der Enquete-Kommission geladen sind am Freitag neben Angehörigen aus den zuständigen Landesministerien und Landtagsfraktionen Mitglieder des Rundfunk- und Verwaltungsrats des „Mitteldeutschen Rundfunks“ (MDR), der Gremienvorsitzenden-Konferenz der ARD und des Fernseh- und Verwaltungsrats des ZDF. Auch Vertreter der Otto-Brenner-Stiftung dürfen an der Sitzung teilnehmen. (PDF)

Erster Zwischenbericht lag im Sommer 2024 vor

Ihren ersten Zwischenbericht zur Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hatte die Enquete-Kommission im Juli 2024 vorgelegt. Er konzentrierte sich auf eine Analyse der aktuellen Strukturen und inhaltlichen Ausrichtung des ÖRR. (Drucksache 8/4363, PDF) Am 22. August 2024 debattierte der Landtag in Magdeburg darüber, ohne einen Beschluss zu fassen. (Video auf YouTube)
Im zweiten Zwischenbericht wird es nach Angaben des Landtagssprechers nun um die Ergebnisse der jüngsten Beratungen gehen. Eingang finden würden voraussichtlich:
  • eine Studie der Uni Mainz zur Perspektivenvielfalt in den öffentlich-rechtlichen Nachrichtenformaten
  • ein Bericht der Landesregierung über die aktuellen Entwicklungen zum Reformstaatsvertrag
  • der Blickwinkel der privatrechtlichen Radiosender auf die Reformvorhaben
  • Fragen zur Verwendung des Rundfunkbeitrages durch die Landesmedienanstalt
  • Fragen zur Zukunft des ÖRR für junge Nutzer
  • Fragen zur künftigen Nutzung von Sportrechten
  • der bisherige Austausch mit Vertretern des ZDF, von 3SAT, funk und der TV IIIa GmbH & Co. KG, dem Produzenten hinter den Sat.1-Regionalmagazinen in Hessen und Rheinland-Pfalz

Kommissionsziel: Reformvorschläge für den ÖRR

Die Einsetzung einer Enquete-Kommission war auf Betreiben der Regierungsfraktionen CDU, SPD und FDP und der oppositionellen Linken in Sachsen-Anhalt im Januar von allen Fraktionen beschlossen worden. Ihr Ziel: Reformvorschläge für den ÖRR erarbeiten, um dessen Akzeptanz in der Bevölkerung zu steigern. Die Ideen „sollten dann von der Landesregierung in den Dialog auf Länderebene mitgenommen werden“, hieß es anlässlich des Landtagsbeschlusses in einer Pressemitteilung.
Nach Angaben des MDR handelte es sich bundesweit um die erste Arbeitsgruppe in einem Landtag, die Vorschläge für einen zeitgemäßen ÖRR entwickeln soll.
Als Vorsitzender der Enquete-Kommission war der CDU-Innenpolitiker Chris Schulenburg eingesetzt worden. Zu seinem Stellvertreter wurde Tobias Rausch erklärt, der Parlamentarische Geschäftsführer und Sprecher für Medienpolitik der oppositionellen AfD-Fraktion im sachsen-anhaltinischen Landtag. Rausch fordert auf der Website „Oeffentlicher-rundfunk.de“ unter anderem die Kündigung der Rundfunkstaatsverträge und ein Ende der Beitragspflicht.

Landesregierungen brachten neuen Medienstaatsvertrag auf den Weg

Die Regierungschefs aller 16 Bundesländer hatten sich schon länger grundsätzlich für eine Reform des Medienstaatsvertrags ausgesprochen. Konkrete Verbesserungsvorschläge wurden auf Basis des Abschlussberichts des „Zukunftsrats von ARD und ZDF“ (PDF) nach monatelangen Gesprächsrunden im Oktober 2024 festgezurrt.
Die Ministerpräsidenten einigten sich in ihrem Reformentwurf (PDF) unter anderem darauf, die Zahl der ARD-Radioprogramme zu verringern, die Kooperation unter den Spartenfernsehsendern voranzutreiben, die Grundsätze von Sparsamkeit und Kostentransparenz vertraglich festschreiben zu lassen und einen Medienrat einzuführen.
Der Entwurf muss aber noch die Hürde aller 16 Landesparlamente überspringen, um am 1. Dezember 2025 in Kraft treten zu können. Falls bis dahin auch nur ein Plenum dagegen stimmen sollte, bliebe alles beim Alten.

Streit um Rundfunkbeiträge schwelt weiter

Das Thema Rundfunkbeitragserhöhung wurde noch nicht abschließend geklärt. Es soll nach Aussage des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder erst wieder aufs Tapet kommen, wenn Klarheit über die strukturellen Reformen herrscht.
ARD und ZDF hatten im November 2024 bereits eine Verfassungsbeschwerde angestrengt, um ihren Wunsch nach mehr Beitragsgeld durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund plädierte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) dafür, die Frage der künftigen Finanzierung des ÖRR so lange zu vertagen, bis das Bundesverfassungsgericht ein Urteil über die Verfassungsbeschwerde gesprochen hat.
Ab dem 1. Oktober könnte noch aus einer anderen Ecke Bewegung in den Dauerstreit um die Beitragspflicht kommen.
Dann nämlich beginnt am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die mündliche Verhandlung in einem Revisionsverfahren, das der Frage nachgehen soll, inwiefern der ÖRR seinen Auftrag zur Vielfaltssicherung tatsächlich strukturell erfüllt. Falls die klagende Beitragszahlerin in ihren Zweifeln darüber bestätigt werden sollte, stünde womöglich das gesamte Konstrukt der ÖRR-Finanzierung auf wackeligen Beinen.
Patrick Reitler, geboren in den späten Sechzigerjahren am Rande der Republik. Studium der Komparatistik, Informationswissenschaft und Sozialpsychologie. Seit der Jahrtausendwende als Journalist hauptsächlich in Online-Redaktionen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und als Fußballkommentator unterwegs. Seit Ende 2022 freier Autor. Bei Epoch Times vorwiegend für deutsche Politik zuständig.

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