Immer wieder hatte der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz (CDU) im Wahlkampf den „Politikwechsel“ angekündigt. „Mit einer neuen Politik können wir dafür sorgen, dass Deutschland wieder nach vorn kommt. Und unser Versprechen ist: Wir werden dafür sorgen“, kündigten CDU und CSU in ihrem
Wahlprogramm an.
Beim Wahlkampfabschluss am Samstag vor der Wahl betonte Merz in
seiner Rede in München noch einmal die politischen Unterschiede. Merz sagte damals:
„Morgen gewinnen wir die Bundestagswahl und dann ist dieser Spuk mit dieser Regierung endlich vorbei.“
Am Ende ging die Union mit 28 Prozent als Wahlsieger aus der Bundestagswahl hervor. Zusammen mit der SPD stellt sie nun seit dem 6. Mai die neue Bundesregierung. Der Amtsantritt von Friedrich Merz war von einem historischen Novum geprägt: Im ersten Wahlgang zur Kanzlerwahl im Bundestag verfehlte er die erforderliche Mehrheit und wurde erst im zweiten Wahlgang mit 325 von 618 Stimmen gewählt. In seiner
ersten Regierungserklärung am 14. Mai betonte Merz die Notwendigkeit, Deutschland „aus eigener Kraft“ durch die Herausforderungen der Zeit zu führen.
Als Friedrich Merz am Dienstagabend nach seiner vergeigten Wahl dem ZDF ein
Fernsehinterview gibt, möchte er sich nicht lange damit aufhalten. Seine Botschaft: „Wir werden jetzt mit der Arbeit beginnen.“
Die Erwartungen an Bundeskanzler Friedrich Merz und seine Regierungsmannschaft sind groß. Nach der Ampelkoalition, die mit internen Konflikten und langsamer Entscheidungsfindung konfrontiert war, formulierte die neue Bundesregierung den Anspruch, mit Tempo und Pragmatismus zentrale Herausforderungen anzugehen. Nach einem Monat lassen sich erste Maßnahmen und Reaktionen dokumentieren.
Strom günstiger – Zeche zahlt Steuerzahler
Bereits im
Koalitionsvertrag wurde vereinbart, die Stromsteuer als Sofortmaßnahme zu senken, um Unternehmen zu entlasten und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. „Wir wollen Unternehmen und Verbraucher in Deutschland dauerhaft um mindestens 5 Cent pro Kilowattstunde mit einem Maßnahmenpaket entlasten“, so das Versprechen.
In der vergangenen Woche kündigte die parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium Gitta Connemann (CDU) im
„ARD-Morgenmagazin“ an, bis zum 11. Juni ein entsprechendes Programm vorzulegen, das unter anderem die Senkung der Strompreise für Unternehmen und Verbraucher beinhalten soll.
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat in einer
Studie berechnet, dass diese Maßnahme für einen vierköpfigen Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4.000 Kilowattstunden eine jährliche Einsparung von 220 Euro bedeuten könnte.
Skeptischer blicken die IW-Experten allerdings auf die geplante Absenkung der Netzentgelte. Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD auf die Halbierung geeinigt. Das würde Unternehmen und Verbraucher zwar noch mehr entlasten, befindet IW-Studienautor und Energieökonom Thilo Schaefer. Allerdings wäre der Staat mit erheblichen Mehrkosten konfrontiert. Das IW schätzt, dass dies zusammen jährliche Kosten von 21,6 Milliarden Euro mit sich bringen würde. Grundsätzlich gehe die neue Regierung mit dem Strompreispaket einen „Schritt in die richtige Richtung“. Eine Dauerlösung sei es jedoch nicht, denn: „Letztlich verschiebt die Politik die Kosten nur von den Verbrauchern in den Bundeshaushalt – am Ende kommt auch der Steuerzahler dafür auf“, schreiben die Ökonomen der IW-Studie.
Wirtschaft wieder auf die Beine stellen
Ein zentrales Ziel der Regierung ist die wirtschaftliche Erholung. Am vergangenen Mittwoch kündigte die neue Bundesregierung deshalb ein
Investitions-Sofortprogramm an. Das Programm soll nach Angaben der Bundesregierung Wachstum fördern, Arbeitsplätze sichern und den Standort Deutschland stärken. Ziel ist es, kurzfristige Investitionsimpulse zu setzen und Unternehmen langfristig Planungssicherheit zu geben. „Damit sichern wir Arbeitsplätze und bringen Deutschland wieder auf Wachstumskurs“, sagte Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) bei der Vorstellung der Maßnahmen.
Kern des Investitionsprogramms sind Sonderabschreibungen für investierende Unternehmen sowie die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Damit sollen Planungssicherheit geschaffen und Investitionen erleichtert werden. Ergänzend dazu arbeitet das Bundeswirtschaftsministerium an einer Reform der Unternehmensbesteuerung, um den Standort Deutschland langfristig attraktiver zu gestalten. Auch Programme zur Unterstützung von Start-ups und innovativen Mittelständlern sind geplant. Ziel sei es, die Innovationskraft in Schlüsselbranchen wie erneuerbare Energien, Mobilität und Medizintechnik zu stärken.
Zustimmung zu den Plänen gab es von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). „Gut ist, dass neben der schnelleren Abschreibung und der Senkung der Körperschaftsteuer die schrittweise Absenkung des Einkommensteuersatzes auf nicht ausgeschüttete Gewinne aufgenommen wurde“,
kommentiert DIHK-Hauptgeschäftsführerin Helena Melnikov die Pläne. Gerade für die vielen Personenunternehmen in Deutschland sei das ein weiterer Anreiz, mehr zu investieren und Arbeitsplätze zu sichern.
Die DIHK warnt aber davor, das Investitionsprogramm der Bundesregierung zu überschätzen: Es sei zwar wichtig, reiche allein aber nicht aus. Melnikov fordert zusätzliche Reformen – insbesondere eine vereinfachte Steuererhebung, mehr Digitalisierung, Entlastung bei der Gewerbesteuer und ein Aussetzen der globalen Mindestbesteuerung. Nur durch entschlossenes Nachlegen könne das Vertrauen der Wirtschaft gestärkt und die Konjunktur nachhaltig belebt werden.
Migrationspolitik: Harte Linie trotz Kritik
Auch migrationspolitisch wurden erste Maßnahmen getroffen. Das Bundeskabinett hat inzwischen zwei zentrale Änderungen im Bereich Migration und Staatsangehörigkeit beschlossen. Zum einen wird der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre ausgesetzt. Damit entfällt das bisherige monatliche Kontingent von 1.000 Visa. Gleichzeitig wird die „Begrenzung“ als Ziel wieder in das Aufenthaltsgesetz aufgenommen.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) erklärte dazu laut Pressemitteilung:
„„Die heutigen Entscheidungen im Bundeskabinett dienen der Reduzierung der illegalen Migration. Ziel ist es, Pull-Faktoren zu senken, mehr Ordnung in das Migrationsgeschehen zu bringen und dem Leitsatz der Humanität und Ordnung gleichermaßen gerecht zu werden.“
Als Begründung wird angeführt, dass die Kommunen durch den Familiennachzug stark belastet würden – etwa bei Wohnraum, Kitas und Schulen. Die Regelung entspricht einer Forderung der Länder und einem Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag.
Außerdem hat die Bundesregierung die sogenannte „Turbo-Einbürgerung“ nach drei Jahren beendet. Künftig ist für eine Einbürgerung ein Mindestaufenthalt von fünf Jahren erforderlich. Beide Gesetze sollen die Steuerung der Migration verbessern und ein Signal für mehr Ordnung und Begrenzung setzen.
Die Anordnung von Bundesinnenminister Dobrindt, Asylsuchende an der Grenze zurückzuweisen, wurde diese Woche vom Verwaltungsgericht Berlin als rechtswidrig eingestuft. Das Gericht entschied, dass Deutschland die Regelungen des Dublin-Verfahrens vollständig anwenden müsse, bevor eine Rückweisung erfolgen dürfe. Dobrindt bezeichnete das Urteil in einem Pressestatement als „Einzelfallentscheidung“ und erklärte, an den Zurückweisungen festhalten zu wollen.
Langfristig entscheidet die Substanz der Entscheidungen
Die neue Bundesregierung setzte in den ersten vier Wochen auf entschlossene Führung, wirtschaftliche Stabilität und setzte erste Akzente hin zu einer anderen Migrationspolitik. Der politische Stil ist sachlich, der Anspruch hoch. Erste Schwerpunkte sind gesetzt und Reformvorhaben angestoßen. Doch zwischen politischem Willen und praktischer Umsetzung liegen föderale Hürden, begrenzte Haushaltsmittel und nicht zuletzt der Alltag parlamentarischer Auseinandersetzungen. Entscheidend wird sein, ob es der Koalition gelingt, die anfängliche Dynamik in langfristige Gestaltungskraft zu überführen – und ob die versprochenen Veränderungen nicht nur auf dem Papier, sondern im täglichen Leben der Bürgerinnen und Bürger ankommen. Der erste Eindruck zählt – aber am Ende entscheidet die Substanz.