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plus-iconWarum der Aufschwung ausbleibt

Zwischen Bürokratie und Weltpolitik: Was den Standort Deutschland bremst

Deutschlands Wirtschaft wankt – und die Gefahr kommt von innen und außen. Bürokratie, Fachkräftemangel und Reformstau bremsen das Land aus, während Kriege und Handelskonflikte die globale Bühne erschüttern. Der Absturz im Chinageschäft und mögliche US-Zölle bedrohen Jobs und Wohlstand. Und mitten in der Krise fehlen dem Staat Milliarden.

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Steuereinnahmen brechen ein und die Wirtschaft schwächelt. Die Bundesregierung hat eine Herkulesaufgabe zu bewältigen. Die aktuelle Umfrage des ifo zum Auftragsmangel in der deutschen Wirtschaft zeigt leichte Entspannung.

Foto: Christian Charisius/Deutsche Presse-Agentur GmbH/dpa

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Lesedauer: 11 Min.

Deutschland steht auch unter einer schwarz-roten Bundesregierung unter Druck: Die aktuelle Steuerschätzung, die Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) gerade erst auf einer Pressekonferenz vorgestellt hat, zeichnet ein düsteres Bild für die kommenden Jahre.
Insgesamt werden die erwarteten Steuereinnahmen im Vergleich zur Prognose vom Oktober 2024 durchschnittlich jährlich um rund 16 Milliarden Euro geringer ausfallen – für den Bund bedeutet das Mindereinnahmen von etwa 7 Milliarden Euro pro Jahr. Ausschlaggebend sind dabei insbesondere steuerliche Entlastungen, etwa zur Abmilderung der kalten Progression.
Trotz dieser Entwicklung sieht Klingbeil keinen Grund zur Kursänderung. „Die Wirtschaft ist weiter in schwierigem Fahrwasser. Auch die Steuereinnahmen liegen im Vergleich zur letzten Schätzung etwas niedriger. Sie sind aber weitgehend so, wie sie auch in den Koalitionsverhandlungen schon zu erwarten waren“, sagte Klingbeil. In den Jahren 2025 und 2026 sei mit einer leicht höheren Belastung zu rechnen, ab 2027 hingegen mit einer leichten Entlastung.

Modernisierung gewinnt neue finanzielle Spielräume

Die Bundesregierung will mit Investitionen und Strukturreformen gegensteuern. „Wir stoßen jetzt die größte Modernisierung unseres Landes seit Jahrzehnten an“, betonte Klingbeil auf der Pressekonferenz. Dazu zählen schnellere Genehmigungsverfahren, Bürokratieabbau und die Mobilisierung von Fachkräften. Auch Investitionen in Infrastruktur und Steueranreize wie eine 30-prozentige Abschreibung sollen das Wirtschaftswachstum fördern. „Nur so gewinnen wir neue finanzielle Spielräume“, so der Finanzminister.
Der Bundeshaushalt 2025 soll trotz sinkender Einnahmen wie geplant aufgestellt werden – alle Vorhaben bleiben unter Finanzierungsvorbehalt. Klingbeil kündigte an, dass sowohl der Haushalt als auch das Gesetz zum neuen Infrastruktursondervermögen bis Ende Juni im Kabinett beschlossen werden sollen.
Die Steuerschätzungen für die kommenden Jahre machen deutlich, dass die gerade erst gewählte schwarz-rote Regierung in den kommenden Jahren vor erheblichen Herausforderungen steht. Die Diskrepanz zwischen den Modernisierungsplänen der Bundesregierung und dem tatsächlichen finanziellen Handlungsraum ist nicht zu übersehen.

Deutsche Wirtschaft mit Strukturproblem

Um die Wirtschaft ist es nach drei Krisenjahren in Folge nicht gut bestellt: 2023 verzeichnete sie einen Rückgang des Bruttoinlandproduktes (BIP) um 0,3 Prozent. Im vergangenen Jahr sank die Wirtschaftskraft unseres Landes um weitere 0,2 Prozent. Für dieses Jahr rechnet die Bundesregierung sogar mit einem Wachstum von 0 Prozent. Das verkündete der scheidende Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im April auf einer Pressekonferenz, auf der er die „Frühjahrsprojektion 2025 der Bundesregierung“ vorstellte. Ein herber Rückschlag: Noch im Januar rechnete die Bundesregierung mit einem Zuwachs von 0,3 Prozent.
Die wirtschaftliche Krise in Deutschland hat mehrere Ursachen, die einander verstärken. Experten sprechen von einer Kombination aus konjunkturellen, strukturellen und globalen Faktoren. Unter dem Titel „Weit weg vom Weg des Wohlstandes“ veröffentlichte Professor Michael Grömling, Leiter des Clusters Makroökonomie und Konjunktur am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) im Dezember einen Aufsatz auf der Diskussionsplattform „Baltic Rim Economies“ (BRE).
Die Wirtschaft wäre auch im vergangenen Jahr stagniert, schreibt Grömling. Die Wirtschaftsleistung verharre daher auf dem Niveau von 2019. Das sei die „längste Inaktivitätsphase seit sieben Jahrzehnten“. Bau- und Industriebranchen leide unter hohen Kosten, schwacher Nachfrage und geopolitischen Unsicherheiten. Der Dienstleistungssektor wachse zwar, könne die Rückgänge aber nicht ausgleichen. Strukturelle Probleme wie geopolitische Veränderungen, demografischer Wandel und der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit belasteten die deutsche Wirtschaft zusätzlich. Für eine nachhaltige Erholung wäre laut Grömling ein jährliches Wachstum von 2,5 Prozent nötig. Angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen erscheine das aber kaum erreichbar. Für den Volkswirtschaftler bestehen „erhebliche Zweifel“ daran, dass Deutschland auf den Wohlstandspfad der „letzten drei Jahrzehnte“ zurückkehren wird.
Ähnlich sieht es auch der Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), Moritz Kraemer. In der unter seiner Leitung entstandenen Studie „Woran Deutschlands Wirtschaft krankt“ aus dem Oktober letzten Jahres schreibt der Volkswirt:
„Deutschlands Wirtschaftsschwäche ist Ausdruck eines grundlegenden Strukturwandels. Belastend wirken Einflüsse von außen wie die Deglobalisierung, aber auch vielfältiger hausgemachter Ballast.“
Während externe Faktoren nur abgefedert werden könnten, müssen Missstände wie überbordende Bürokratie oder der erhebliche Investitionsstau in der Infrastruktur zügig angegangen werden, heißt es in der Studie. Die Deglobalisierung setze der deutschen Wirtschaft aktuell am meisten zu, während die Demografie sie künftig zunehmend schwächen wird. 

Längste Wirtschaftskrise in der Geschichte der Bundesrepublik

In ihrer Regierungserklärung am 16. Mai 2025 stellte Bundeswirtschaftsministerin Katharina Reiche (CDU) umfassende Maßnahmen vor, mit denen sie die deutsche Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs bringen will. Sie warnte eindringlich: „Deutschland steckt in der längsten Wirtschaftskrise in der Geschichte der Bundesrepublik.“ Angesichts sinkender Industrieproduktion, zunehmender Insolvenzen und eines gravierenden Fachkräftemangels sei entschlossenes Handeln notwendig. Reiche betonte: „Wachstum ist kein Selbstzweck, aber es ist Voraussetzung für Wohlstand, soziale Sicherheit und gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

Ein zentrales Element ihrer Strategie ist eine verlässliche, bezahlbare Energieversorgung. Reiche kündigte an: „Wir werden den Strompreis für Unternehmen um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde senken.“ Dazu sollen mindestens 40 neue Gaskraftwerke mit einer Leistung von insgesamt 20 Gigawatt entstehen, die perspektivisch auf Wasserstoff umgerüstet werden können. Gleichzeitig sprach sich die Ministerin für einen raschen Bürokratieabbau aus: „Wir werden das Lieferkettengesetz abschaffen und zwei Jahre lang keine neuen Statistikpflichten einführen.“ Ziel sei es, Unternehmen wieder mehr Freiräume zu geben.

Auch steuerliche Erleichterungen sind Teil des Plans. Bereits im Sommer 2025 soll ein erstes Entlastungspaket verabschiedet werden, unter anderem mit einer Senkung der Stromsteuer. „Ab 2028 werden wir die Körperschaftsteuer schrittweise senken, um Investitionen zu erleichtern und den Standort attraktiver zu machen“, kündigte Reiche an. Darüber hinaus setzt sie auf neue Handelsabkommen: „Wir brauchen mehr Freihandel, nicht weniger. Deshalb wollen wir neue Abkommen mit Australien, Chile und Indien voranbringen.“

Ein weiterer Baustein ist die Reform des Gebäudeenergiegesetzes. Reiche erklärte: „Wir werden das GEG durch ein neues Gesetz ersetzen, das technologieoffener ist und Investitionen ermöglicht.“ Das geplante Betriebsverbot für alte Heizkessel soll aufgehoben werden, um Planungssicherheit und Flexibilität zu schaffen. Insgesamt macht Reiche deutlich: „Diese Bundesregierung steht für eine wachstumsfreundliche, marktwirtschaftliche Wirtschaftspolitik – denn ohne Wachstum gerät unsere Mitte in Gefahr.“

Weiterer Anstieg der Strompreise nicht ausgeschlossen

Ein zentrales Risiko für die deutsche Wirtschaft geht allerdings nach wie vor von geopolitischen Verwerfungen aus – allen voran dem Ukraine-Krieg und dem eskalierenden Machtkampf zwischen den USA und China. Diese Entwicklungen gefährden Deutschlands Geschäftsmodell als exportorientierte Industrienation.
Der Ukraine-Krieg, der im Februar 2022 begann, führte zu einer tiefgreifenden Energiekrise in Europa. Deutschland war besonders betroffen, da es zuvor stark von russischem Erdgas abhängig war. Laut der Bundesnetzagentur lag der durchschnittliche Strompreis für Unternehmen ohne Vergünstigungen 2021 bei rund 21,77 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh). 2022 schnellte der Preis auf rund 35,70 ct/kWh hoch. Im vergangenen Jahr lag er durchschnittlich bei 16,77 ct/kWh. Im Januar allerdings wieder bei 17,99 ct/kWh. Der Anstieg im Januar macht deutlich, dass es noch einmal zu einem Anstieg des Strompreises kommen könnte.

Handel mit China eingebrochen

Zwischen den USA und China herrscht ein wachsender wirtschaftlicher Systemkonflikt. Technologiebeschränkungen, Zölle und nationalistische Industriepolitiken führen zu Unsicherheiten im Welthandel. Für Deutschland, das auf diese Märkte stark exportiert, ist das ein ernstes Risiko.
Laut den Daten von Trading Economics betrugen die deutschen Exporte nach China im Jahr 2024 rund 97,8 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 lagen sie noch bei rund 124 Milliarden US-Dollar.

Die Bedeutung der USA als Handelspartner hat kontinuierlich zugenommen. Das belegen Daten des Statistischen Bundesamts zwischen 2023 und dem ersten Quartal 2025. Im Jahr 2023 exportierte Deutschland Waren im Wert von 157,9 Milliarden Euro in die Vereinigten Staaten – das entsprach 9,9 Prozent der gesamten deutschen Ausfuhren und markierte den höchsten Stand seit über zwei Jahrzehnten. 2024 setzte sich dieser Trend fort: Die Exporte in die USA stiegen auf 161,4 Milliarden Euro, was einem Zuwachs von 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Auch im ersten Quartal 2025 setzte sich das Wachstum fort, mit einem Exportvolumen von 41,2 Milliarden Euro. Damit wurde erneut ein Exportüberschuss gegenüber den Importen aus den USA erzielt. Insgesamt blieb auch der Anteil der USA an den deutschen Gesamtexporten stabil hoch – im Jahr 2025 lag er bei 10,7 Prozent.

Handelskonflikt würde die Wirtschaft weiter unter Druck setzen

Sollten die USA neue Zölle auf deutsche Produkte erheben oder bestehende Handelsbarrieren ausweiten, hätte dies spürbare Folgen für die deutsche Wirtschaft. Höhere Einfuhrabgaben würden deutsche Waren auf dem US-Markt verteuern und ihre Wettbewerbsfähigkeit schwächen.

Besonders betroffen wären exportstarke Branchen wie die Automobilindustrie, der Maschinenbau und die Chemiebranche. Ein Rückgang der Exporte in die USA würde nicht nur das Wirtschaftswachstum dämpfen, sondern auch Arbeitsplätze gefährden – vorwiegend in Industrie- und Zulieferbetrieben.

Zusätzlich könnte die Handelsunsicherheit dazu führen, dass Unternehmen Investitionen aufschieben oder Produktionsstandorte ins Ausland verlagern. Auch Gegenzölle der EU auf US-Produkte wären denkbar, was weitere Wirtschaftsbereiche belasten könnte. Insgesamt würde ein solcher Handelskonflikt die deutsche Wirtschaft in einer Phase ohnehin schwacher Konjunktur zusätzlich unter Druck setzen.

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