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Beschluss für Mittwoch erwartet

Dobrindt plant Einschnitt beim Familiennachzug – Kritik von Grünen und Linken

Das Bundeskabinett will auf Initiative von Innenminister Alexander Dobrindt den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte vorübergehend aussetzen. Die Maßnahme könnte Zehntausende Geflüchtete betreffen und ruft Kritik von Opposition und Integrationsforschern hervor.

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Innenminister Dobrindt will mit dem Gesetzentwurf die Sogfaktoren für Migranten reduzieren.

Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

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Am Mittwoch, 28. Mai, soll das Bundeskabinett auf Initiative von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt eine weitreichende Entscheidung zum Familiennachzug treffen. Der Minister strebt an, den Familiennachzug für Personen mit subsidiärem Schutzstatus für zwei Jahre auszusetzen.
Die Maßnahme richtet sich insbesondere gegen Asylsuchende, die zwar über keinen anerkannten Asylstatus verfügen, aber dennoch ein Bleiberecht genießen. Hauptsächlich wird dieses dann gewährt, wenn diese wegen Kriegs oder Krisen nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können.

Sprecherin konnte keine exakte Zahl möglicher Betroffener von Familiennachzug-Aus nennen

Potenziell betroffen seien Schätzungen zufolge jährlich mehrere Tausend Menschen. Eine genaue Zahl an gegenwärtig anhängigen Anträgen oder möglichen Betroffenen konnte Ministeriumssprecherin Dr. Sonja Kock am Montag in der Bundespressekonferenz nicht nennen. Derzeit ist die Zahl der Visa, die zum Zweck des Familiennachzugs für Geflüchtete ausgestellt werden können, auf 1.000 pro Monat beschränkt. Die Zahl der subsidiär Schutzberechtigten in Deutschland wurde zuletzt mit rund 351.000 angegeben – den Löwenanteil mit rund 266.000 Personen stellten dabei Geflüchtete aus Syrien.
Künftig soll es Ausnahmen nur noch für Härtefälle geben. Dobrindt möchte auf diese Weise vermeintliche „Pull-Faktoren“ minimieren, die Deutschland als Zielland für Fluchtbewegungen attraktiv machen könnten. Es solle auch praktische Auswirkungen haben, dass sich die Koalition darauf geeinigt habe, die Begrenzung von Einwanderung „wieder ins Gesetz“ zu schreiben.
Derzeit eröffnen deutsche Gesetze sowie die EU-Familiennachzugsrichtlinie anerkannten Flüchtlingen und Asylberechtigten einen Rechtsanspruch auf Nachzug engster Familienangehöriger. Dieser gilt für Ehepartner und minderjährige Kinder – beziehungsweise für Eltern bei unbegleiteten Minderjährigen. Die Frist zur Stellung des Antrags beträgt drei Monate nach Anerkennung.

Dobrindt will Option für temporären Stopp nutzen

Für subsidiär Schutzberechtigte gilt dieser Anspruch nicht. Allerdings legt Paragraf 36 des Aufenthaltsgesetzes seit August 2018 fest, dass monatlich maximal 1.000 Visa für den Familiennachzug erteilt werden können. Eine vollständige Aussetzung ist der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) nur temporär befristet möglich, wenn anschließend eine Einzelfallprüfung stattfindet.
Diesen Spielraum für eine temporäre Aussetzung will Dobrindt nun nutzen und einen Zwei-Jahres-Zeitraum bis zur Ermöglichung eines Nachzugs einführen. Die SPD wird der Maßnahme trotz Bedenken in ihren Reihen zustimmen. Immerhin ist die Maßnahme im Koalitionsvertrag verankert.
Demgegenüber kommt deutliche Kritik von Grünen und Linkspartei. Grünen-Innenpolitikerin Schahina Gambir spricht von einem „unmoralischen“ Vorhaben und sieht einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und die UN-Kinderrechtskonvention. Die Linke warnt vor einer „Aushöhlung des Rechtsstaats“ und einem Einstieg in eine „Herrschaft des Unrechts“.

Noch keine vollständige Gewissheit über die Kommunikation der Restriktionen

Sprecherin Dr. Kock äußerte auf Nachfrage der Epoch Times in der Bundespressekonferenz, es werde „bei Gesetzentwürfen, die erstellt werden, immer auch die Rechtmäßigkeit geprüft“. Die Frage lautete, ob die geplante Gesetzesnovelle vor dem Bundesverfassungsgericht unter Maßgabe des Artikels 6 Grundgesetz Bestand hätte.
Auch das Bundesjustizministerium sei an der ressortinternen Abstimmung bei solchen Gesetzesentwürfen beteiligt. Darüber, welche Konsequenzen das im konkreten Fall habe und inwieweit es Widerstände im Bundesrat geben könne, wollte man sich zum derzeitigen Zeitpunkt nicht äußern.
Die Sprecherin konnte auch noch nicht sagen, in welcher Weise die geplanten Gesetzesänderungen an potenzielle Adressaten in den Herkunftsländern kommuniziert würden. Es gebe Internetseiten und Social-Media-Kanäle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), über die sich Personen auch dort informierten. Auch die Bundesregierung informiere. Inwieweit darüber hinaus eine aktive Kommunikation über die geplanten Restriktionen geplant sei, sei noch nicht abzusehen.

Experten sehen überwiegend positiven Effekt von Familiennachzug

Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) hält den Familiennachzug für einen wichtigen Treiber der Integration von Geflüchteten. Er erleichtere die gesellschaftliche Teilhabe und verringere psychische Belastungen durch Familientrennung.
Auch der österreichische Integrationsfonds sieht, wie aus einer Studie hervorgeht, mehr Chancen als Risiken im Familiennachzug. So profitierten die nachgezogenen Familienmitglieder von bereits etablierten Netzwerken und fänden leichter Zugang zu Wohnraum, Arbeitsmarkt und Bildung.
Für die bereits im Land befindlichen Geflüchteten fielen die psychischen Belastungen durch die Familientrennung weg. Auch das erleichtere die Integration. Auch der Spracherwerb und die Arbeitsmarktintegration könne durch familiäre Unterstützung gefördert werden. Zwar könne eine starke familiäre Bindung, vor allem bei Frauen, zu geringerer Arbeitsmarktpartizipation führen, allerdings, so der Integrationsfonds, überwögen die positiven Integrationseffekte.

Dobrindt will auch sogenannte Turbo-Einbürgerung abschaffen

Minister Dobrindt will zudem die von der Ampelregierung eingeführte Möglichkeit einer beschleunigten Einbürgerung nach lediglich drei Jahren abschaffen. Diese sogenannte Turbo-Einbürgerung war für Einwanderer gedacht, die etwa im Beruf, durch gesellschaftliches Engagement oder sehr gute Sprachkenntnisse herausragende Integrationsleistungen erbrächten.
Künftig sollen auch solche Einwanderer nach wie vor eine Wartezeit von fünf Jahren durchlaufen. Die Ampel wollte auf diese Weise einen Anreiz schaffen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und das aktive Engagement für das Gemeinwesen attraktiver zu machen. Die Möglichkeit mehrfacher Staatsbürgerschaften soll jedoch weiterhin bestehen. Auch die Verschärfungen bei den Anforderungen für die Einbürgerung – etwa bezüglich der Selbsterhaltungsfähigkeit und der Verfassungstreue – bleiben aufrecht.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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