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plus-iconLiberale planen Comeback

FDP-Parteitag in Berlin: Lindner geht, Dürr übernimmt – Kemmerich wird durchgereicht

Beim Parteitag in Berlin läutet die FDP nach ihrem Bundestags-Aus den Neustart ein. Christian Lindner tritt ab, Christian Dürr und Generalsekretärin Nicole Büttner sollen die Liberalen zurück in die Erfolgsspur führen. Dass der thüringische Landesvorsitzende Thomas Kemmerich ohne Gegenkandidat bei der Wahl in den Bundesvorstand durchgereicht wurde, zeigt jedoch, wie tief die Risse in der Partei sind.

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Die Unternehmerin Nicole Büttner und Christian Dürr sollen die FDP wieder auf Erfolgskurs bringen.

Foto: Michael Kappeler/dpa

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Lesedauer: 9 Min.

Am Freitag und Samstag kam die FDP zu ihrem Parteitag zusammen. Nachdem der Partei im Februar der Wiedereinzug in den Bundestag nicht geglückt ist, möchte sich die Partei nun neu erfinden. Die Freien Demokraten wollen ihr Comeback schaffen – das wurde an beiden Tagen immer wieder betont. Unter dem Parteitagsmotto „Es fängt bei Dir an“ sollten jetzt die richtigen Weichen gestellt werden. Wie groß der Diskussionsbedarf bei den Delegierten des Parteitags war, wurde gleich zu Beginn deutlich. Die Aussprache dauerte länger als geplant. Am Ende lagen die Freien Demokraten 3 Stunden hinter ihrem ursprünglichen Zeitplan zurück.
Christian Lindner hielt am Freitag seine letzte Rede als Parteivorsitzender und verabschiedete sich nach über elf Jahren an der Spitze der Partei. Er nutzte die Gelegenheit, um sowohl politische als auch persönliche Akzente zu setzen.
Dürr lehnte eine ideologische Neuausrichtung ab und kritisierte die von der Union und SPD beschlossene Wirtschafts- und Fiskalpolitik, die zu einem hohen Staatsanteil führe. Er warnte davor, dass ein Staatsanteil von über 50 Prozent der Wirtschaft zu „sozialistischen Verhältnissen“ führen könne.
Zur neuen FDP-Generalsekretärin wählten die Delegierten am Freitag die Unternehmerin Nicole Büttner. „Ich will eine Generalsekretärin sein, die unsere Partei neu vernetzt, die Köpfe aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Start-ups mit der FDP verbindet“, so Büttner in ihrer Vorstellungsrede.
Zu Dürrs Stellvertretern wurden die Europaabgeordnete Svenja Hahn, der langjährige Vize Wolfgang Kubicki und der nordrhein-westfälische FDP-Landeschef Henning Höne gewählt. Svenja Hahn betont in ihrer Bewerbungsrede den notwendigen Aufbruch in der Partei – organisatorisch, personell und inhaltlich. Sie will die Partei von internem Gräbendenken lösen – weg vom ideologischen Links-rechts-Schema, hin zu einer lebendigen Mitmachkultur. „Denn nur als Team können wir so stark werden, dass wir die Kraft haben, beständig stabile Ergebnisse zu holen.“

Ungestraft auch „Unsinn“ erzählen dürfen

Wolfgang Kubicki betonte in seiner Vorstellung die Selbstkritik und Selbstvergewisserung, die nun notwendig sei. Gleichzeitig warnte der streitbare Freie Demokrat vor einer parteiinternen Nabelschau. „Wir müssen uns so schnell wie möglich wieder als freiheitliche Kampfeinheit formieren“, forderte Kubicki auf dem Parteitag. Keine andere Partei kämpft so entschieden für den Erhalt der Bürgerrechte. „Die Freiheit, die ich meine, kämpft für die Wahrheit in dem Wissen, dass es keine abschließende Wahrheit gibt, die behauptet, nicht die letzten Antworten zu wissen.“ Während die neue Regierung ein „Wahrheitsministerium“ etablieren will, kämpfe er dafür, „dass Du ungestraft Unsinn erzählen kannst.“ Er sei bereit, sich „verbal verprügeln“ zu lassen, um für die Prinzipien der Freien Demokraten einzustehen.
„Freie Demokraten definieren sich nicht über andere. Wir definieren uns über Freiheit“, betonte Henning Höne in seiner Vorstellung. Es brauche langfristiges Denken, Mut zu großen Fragen und neue Ideen. Die FDP stehe für einen klaren, unverwechselbaren Markenkern: Sie sei die einzige Partei, die sich einem paternalistischen Staat verweigere, der das Leben der Bürger umfassend regeln will – ein Staat, der „verdammt teuer und gleichzeitig überfordert“ ist.
„Wir Freie Demokraten sagen dagegen: Wir glauben an Dich! Wir glauben, dass Du es selbst kannst. Wir glauben, dass Du selbst entscheiden kannst.“

Strack-Zimmermann kandidiert für kein Amt

Die Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die kurzweilig als Parteivorsitzende gehandelt wurde, trat für keine Position in der Parteiführung an. In einem Interview mit dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND) erklärte sie ihren Verzicht mit Arbeitsüberlastung. Wörtlich sagte die FDP-Politikerin: „Offen gestanden, angesichts der sicherheitspolitischen Herausforderungen in Europa und meiner Aufgabe als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im EU-Parlament ist es zeitlich ausgeschlossen, eine solche Aufgabe zusätzlich zu übernehmen.“ Strack-Zimmermann betonte allerdings, dass sie kraft ihres Amtes als Vorsitzende der FDP-Delegation im EU-Parlament auch weiterhin Sitz und Stimme im Präsidium haben wird und damit im Bundesvorstand vertreten sein wird.

Zwischen Theorie und Handeln klafft eine Lücke

Schuldzuweisungen an der Wahlschlappe im Februar bleiben beim Parteitag aus. Zu den schärferen Stimmen gehörte allerdings der thüringische Landesvorsitzende Thomas Kemmerich. Kemmerich fordert eine schonungslose Analyse der Wählerverluste seiner Partei. Zwischen Theorie und Handeln klaffe eine Lücke.
„Wir haben die Digitalisierung nicht genutzt, um uns zu befreien von der Gängelung des Staates“, sagte Kemmerich weiter. „Wir haben ihn auch nicht dort gestärkt, wo wir ihn benötigen: beim Thema Innere Sicherheit, bei der Frage, wie kriegen wir Ordnung in das Chaos der Migration.“

Kurzzeit-Ministerpräsident Kemmerich wird durchgereicht

Kemmerich forderte:
„Wir hätten sagen müssen: Wir schließen die europäischen Grenzen. Wir benötigen Kontrolle. Das ist nicht illiberal, sondern das ist Recht jener Menschen, die hier leben, zu wissen, wer kommt rein, wer kommt raus.“
Kemmerich erlangte bundesweite Bekanntheit, als er sich am 5. Februar 2020 überraschend zum Ministerpräsidenten von Thüringen wählen ließ, wobei AfD-Stimmen den Ausschlag gaben. Der FDP-Politiker nahm die Wahl an, trat aber drei Tage später nach bundesweiten Protesten zurück.
Seitdem tut sich die Partei sehr schwer mit dem Landeschef aus Thüringen. Das zeigte sich im Nachgang auch bei der Wahl zum Bundesvorstand. So wurde Kemmerich in zwei Wahlgängen nicht in den Bundesvorstand gewählt. Erhielt er im ersten Wahlgang 45,29 Prozent der Delegiertenstimmen, waren es im zweiten Wahlgang sogar nur noch 44,6 Prozent der Stimmen. Jubel in der Halle, als das Ergebnis jeweils bekannt gegeben wird.

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Kemmerich war auf der sogenannten „Kurfürstenliste“ als Kandidat angetreten. Für diese Liste hat der jeweilige Landesverband das Vorschlagsrecht. Es gibt keinen Gegenkandidaten. In der Regel erhält der so aufgestellte Kandidat die benötigte absolute Mehrheit für die Wahl in den Bundesvorstand. Thüringen hatte in den zwei Wahlgängen Thomas Kemmerich als ihren Kandidaten vorgeschlagen. Im dritten Wahlgang verzichtete der Verband dann auf sein Vorschlagsrecht.

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